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An diesem Tag sollte ich einem Urologen und einem Gynäkologen vorgestellt werden. Es war ein herrlicher, sonniger Tag mit einem strahlend blauen Himmel. So wurde ich in meinem Bett hoch oben in einem Zimmer abgestellt, was nur durch einen Vorhang vom Flur getrennt war, der halb offenstand. Da wartete ich nun auf den Arzt und beobachtete das rege Treiben im Flur. Ich vernahm einen lauten, aufgeregten Wortwechsel in einer fremden Sprache, die ich nicht zuordnen konnte. Dann stürmten zwei Männer herbei, wovon einer komplett schwarz gekleidet war. Er trug einen Lederanzug und einen schwarzen Helm, der nichts von seinem Gesicht erkennen ließ. Seit vielen Wochen wurde in den Nachrichten von den Flüchtlingen berichtet, die unser Land überfluteten und diverse Probleme mitbrachten. Und was wollten nun diese Fremden? Ich lag da in meinem Krankenbett und hatte im wahrsten Sinne des Wortes einen Platz an der Sonne, aber plötzlich verspürte ich panische Angst. Würde der Mann in Schwarz vielleicht eine Waffe hervorholen und wild um sich schießen? Es geschah nichts dergleichen, doch dass dieser Gedanke gar nicht so abwegig war, erwies sich wenige Monate später. Der Urologe fand keine Auffälligkeiten. Der Gynäkologe vollführte mit seinen großen Gesten einen bühnenreifen Auftritt. Dabei warf er mit Fachbegriffen um sich und erklärte mir, was er in anderen Frauen schon alles gefunden hat. Na großartig! Beim Torso-Ultraschall verwies die junge Ärztin auf ihr Pokerface. Ich kam auch zum CT (Computertomographie) und zum MRT (Magnetresonanztomographie). Bei Letzterem wurde ich von einer älteren Schwester eingewiesen, die wie eine Mutter auf mich einredete, um mir die Angst zu nehmen. Ich hatte gar keine, aber es tat gut zur Abwechslung auf so eine mütterliche Person zu stoßen. Und schließlich war da noch die transösophageale Echokardiographie, umgangssprachlich: Schlauch schlucken. Hierbei handelt es sich um eine Ultraschall-Untersuchung des Herzens, bei der die Ultraschallsonde über die Speiseröhre (Ösophagus) bis auf Herzhöhe vorgeschoben wird. Das klingt höchst unangenehm. Man fragte mich, ob ich eine Betäubung wünsche. Ach ja, das wäre sicher besser. Mir wurde also etwas in die Flexüle gespritzt und schwubs, weg war ich. Als ich wenig später wieder zu mir kam, war ich noch etwas schläfrig, merkte jedoch nichts davon, dass mir kurz zuvor jemand in der Speiseröhre herumgebohrt hat. Ziel all dieser Untersuchungen war es, die Ursache für meine Fieberschübe herauszufinden. Ein junger Arzt bemühte sich dabei ganz besonders. Hier und da gab es noch Spuren, die von der Blutvergiftung herrührten, jedoch nicht als bedrohlich galten. Der junge Arzt wunderte sich über eine kleine Beule unterhalb meiner Strumanarbe. Der hatte ich nie Bedeutung beigemessen. Es schmerzte nichts, es behinderte nichts. Sicher war es ein Überbleibsel der OP von vor über 25 Jahren. Wer hätte das gedacht? Das war des Pudels Kern … und meiner. Da hatte sich etwas gebildet, was dort nicht hingehörte. Ich hielt es eventuell noch für einen weiteren kleinen Strumaknoten, aber damit hatte es nichts zu tun. Das CT oder das MRT zeigten etwas, was nicht ganz eindeutig bestimmt werden konnte. Der Arzt setzte sich mit einem Kollegen aus dem Krankenhaus Martha-Maria Halle-Dölau in Verbindung. Der kam auch prompt zu mir, sah sich alles an und schon einen Tag später, am 15.3.2016, wurde ich nach Dölau verlegt, um dort operiert zu werden.
Umzug ins „Martha-Maria“ Dölau Das Krankenhaus Martha-Maria in Halle-Dölau ist seit 2006 eine Einrichtung im Diakoniewerk Martha-Maria und Lehrkrankenhaus der Medizinischen Fakultät der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg. Interessant ist seine Geschichte. 1936 wurde das Waldkrankenhaus erbaut und bis Kriegsende von der Luftwaffe als Lazarett genutzt. Viele alte Fotos aus dieser Zeit mit Sälen voller Menschen in ihren Krankenbetten sind heute auf den Fluren ausgestellt. Nach 1945 war dort das Städtische Krankenhaus. Allein schon die Lage ist einzigartig. Mitten im Wald wurde dieses Krankenhaus ganz idyllisch angelegt, was sicher dem Heilungsprozess der Patienten förderlich ist, aber auch eine gute Kulisse für eine nette Krankenhausserie a la „Schwarzwaldklinik“ bieten würde. Das Haupthaus bildet einen großen Bogen mit durchgehenden Balkonen und einer Aussicht auf einen schönen, gepflegten Park. „Dölau ist besser.“ Das hatte mir in Kröllwitz die Putzfrau noch zugeflüstert. „Da ist alles familiärer.“ Na, mal schauen. Auch Klaus kannte das ja schon und konnte nur Gutes berichten. Nach einer schönen Stadtrundfahrt im Rettungswagen bei herrlichem Frühlingswetter kam ich auch sehr bald an und wurde in einem Zimmer, was tatsächlich einen sehr freundlichen Eindruck machte, untergebracht. Mit einem dicken Strauß Tulpen begrüßt zu werden, ist sicher nicht selbstverständlich, auch wenn die da wohl noch vom Vorgängerpatient standen. Der Raum war von angenehmer Größe, freundlich, ohne abgeschlagene Ecken und schiefe Nähte, das Bad komfortabel und geräumig. Oh ja, eine ganz andere Liga als Kröllwitz. Ich war allein, Dank des Keims. Ruhig wurde es jedoch nicht, denn am nächsten Tag sollte ja die OP erfolgen und das bedurfte allerhand Vorbereitungen. Ein Arzt klärte mich über alles auf, was mir nun bevorstand. Ich sah ihn an und musste an den Schauspieler Hakim-Michael Meziani denken. Die Ähnlichkeit war verblüffend, auch wenn der Arzt deutlich schlanker war und nicht ganz so attraktiv. Ich erfuhr, dass diese OP kaum länger hätte hinausgezögert werden sollen. Irgendwas war ungewöhnlich in diesem freundlichen Zimmer. Ich bekam keine Infusion und war sonst an keinem Gerät angeschlossen. Es war still und direkt links neben mir atmete es. Ja, ein ruhiges, gleichmäßiges Atmen wie bei einem tiefen Schlaf. Das war jedoch weder beunruhigend noch beängstigend. Es war einfach da, wenn auch nicht pausenlos. Gab es vielleicht einen Zusammenhang mit dem herrenlosen Blumenstrauß?