Mein Halle
Welch wechselhafte Geschichte! In nunmehr über 1000 Jahren Sachsen, Brandenburg/Preußen, gar Westfalen zugehörig, stand schließlich eindeutig fest: Halle an der Saale ist die größte Stadt in Sachsen Anhalt! Nein, liebe Nachbarn in den alten Bundesländern, auch wenn unser Dialekt in Euren Ohren so klingen mag; wir sind keine Sachsen! Wir sind aber auch kein Volk von Däumchenrausstreckern am Straßenrand, obwohl die richtige Bezeichnung „Sachsen-Anhalter“ lautet. Mir hätte ja „Anhaltiner“ besser gefallen, doch die Sprachwissenschaftler bestehen darauf, dass dies nur den Adligen vorbehalten bleiben darf. Und wir sind auch keine Haller! Mag sein, dass sich die Bewohner anderer gleichnamiger Orte so bezeichnen. Wir sind Hallenser und legen großen Wert auf die richtige Bezeichnung.
Heinrich Heine war es, der die mittlerweile doch recht abgedroschene und vielfach fehlinterpretierte Kategorisierung schuf: Hallenser, Halloren, Halunken. Wie oft schon begegnete ich Leuten, die absolut nichts über meine Stadt wussten, sie eventuell in die Nähe von Berlin einordneten, oder sonstige abenteuerliche Zusammenhänge schufen. Die Sache mit den Halunken war ihnen seltsamerweise ein Begriff. Was sich Heinrich Heine dabei dachte, dem wir immerhin einen Felsen am Saaleufer und eine Straße gewidmet haben, ist mir nicht bekannt. Die Einheimischen deuten es so: In Halle geboren zu sein, bedeutet Hallenser zu sein. Halloren sind die alten Salzwirkerfamilien der Stadt. Die Halunken sind die Zugereisten. Jaja, ganz so bösartig sind wir also gar nicht. Das Wort „Halunke“ hat bei uns einen deutlich weniger bitteren Beigeschmack als anderswo. Andererseits muss man doch zugeben, der typische Hallenser ist stur. Nicht selten wird er einem Gast zunächst etwas „muffelig“ erscheinen, so dass dieser denken muss, ein freundliches Wort mehr könnte schmerzhaft sein. Erst auf dem zweiten Blick erkennt man den weichen Kern unter der rauen Schale. Der Hallenser wirkt zunächst etwas herb, doch wer die Nähe zu den Einheimischen sucht, wird auch ihre Herzlichkeit, Hilfsbereitschaft und Gastfreundschaft kennenlernen. Hallenser, Halloren, Halunken? Auch wenn der Hallenser selbst diesen Spott für sich beansprucht, so doch nicht ohne Koketterie. Er verbindet das mit Tüchtigkeit, die man ihm wirklich nicht abstreiten kann. Eine gewisse Bedächtigkeit ist ihm eigen. Doch was Fremde vielleicht als Zaudern bezeichnen, ist eigentlich nur ein Abwarten, bis die Situation herangereift ist. Geistige Beweglichkeit paart sich mit Realitätssinn. Phantasie schäumt nicht über. Hier zeigt sich das Preußische im Hallenser: Nicht gleich schießen, doch wenn, dann aber richtig! Mentalität ist das Produkt einer langen Geschichte.
Der Ursprung
Im Saaletal hütete ein Schweinehirt seine Herde. Es herrschte hochsommerliche Hitze und der Hirt muss wohl eingeschlafen sein. Als er nach seiner Herde schaute, waren die Tiere verschwunden. Er suchte und fand sie schließlich an der Stelle des heutigen Hallmarktes. Dort suhlten sich die Tiere in einer Wasserlache. Als sie wieder trocken waren, glitzerten an ihren Borsten lauter Kristalle. Der Hirt leckte daran. Salz! Bald wurden hier die ersten Salzkoten, die Siedehäuser der Salzwirker, errichtet. Die Stadt Halle entstand, wuchs und kam zu Wohlstand und Reichtum.