zuletzt atualisiert 2020
Lindenblütenfest in den Franckeschen Stiftungen
Ende des 18. Jahrhunderts wurden die kritischen Stimmen immer lauter. Vom Soldatenkönig Friedrich I. wurde die  “Franckesche Disziplin" hoch gelobt, doch jetzt strebte man eine fortschrittlichere, offenere Pädagogik an. Den Ruf, mit recht antiquierten Mitteln Lernstoffe zu vermitteln und junge Menschen an die Kette zu legen, wurden die Stiftungen nie ganz los. Doch ganz so verkehrt kann es nicht gewesen sein, denn es gingen so manche prächtige Staatsbürger hervor. 1946 kam es zum Anschluss an die Universität Halle. Zum umfangreichen Komplex der Franckeschen Stiftungen gehört das einzigartige Kunst- und Naturalienkabinett. Dazu kam es, weil Francke seine besten Absolventen in die weite Welt hinausschickte und von ihnen forderte, ethnographische Objekte zu sammeln, die dann als Unterrichtsmittel genutzt werden können. Das im Original erhaltene museale Kabinett aus der Zeit des Barock  ist leider kein öffentliches Museum. Wer aber einmal die Möglichkeit hat, einen Blick hinein zu werfen, sollte dies keinesfalls versäumen. Die älteste noch erhaltene Bibliothekseinrichtung Deutschlands finden wir in der 1698 gegründeten Hauptbibliothek mit über 100 000 Bänden in zahlreichen Sprachen. Damit untrennbar verbunden ist auch das Archiv mit etwa 200 000 handschriftlichen Dokumenten und einer Porträtsammlung. Zum Wirtschaftsbetrieb der Stiftungen gehört auch die Druckerei. Ganz in der Nähe finden wir die Krankenanstalt. Hier zog 1959 das Hygiene – Institut der Martin-Luther-Universität ein. Das Wohnhaus Franckes befindet sich rechterhand neben dem Hauptgebäude. Hier wohnte der Pädagoge zwischen 1702 und 1715, nachdem 1700 das Gläserklirren in einer wüsten Kneipe endgültig verstummte.
Es hat viele Jahre gedauert, um die zahlreichen historischen Gebäude in den Zustand zu bringen, wie wir sie heute antreffen. Krönender Abschluss der Baumaßnahmen: der Neubau der Bundeskulturstiftung in einer Baulücke direkt neben dem einstigen Wohnhaus des Pietisten August Hermann Francke. Das Gebäude wurde im Oktober 2012 von Bundeskanzlerin Merkel  eingeweiht. Meine persönliche Meinung: Dieses Gebäude ist ein unverzeihlicher Fehler.  Der Neubau befindet sich inmitten eines denkmalgeschützten Ensembles der Franckeschen Stiftungen und hebt sich mit seiner futuristischen Architektur nur allzu auffällig ab. Angesichts der benachbarten Gebäude schmerzt das Auge des Betrachters. Doch es hat ja auch nur 4,4 Millionen Euro gekostet …
Franckes Wohnhaus 2003
Auch heute noch wird in den Franckeschen Stiftungen unterrichtet. Das europäische Kulturdenkmal ist internationale Begegnungsstätte von Politikern, Gelehrten und Pädagogen. Das Lindenblütenfest auf dem Gelände der Stiftungen ist zum Teil ein mittelalterliches Spektakel, gibt andererseits Einblick in das Schulleben, so wie es hier einst praktiziert wurde. Außerdem ist es eine hervorragende Möglichkeit, sich auch Räume anzusehen, die sonst für die Öffentlichkeit nicht zugänglich sind. Die Franckeschen Stiftungen sind übrigens auch „Heimat“ des ältesten Knabenchors Mitteldeutschlands, des Stadtsingechors. 2016 feiert er seinen 900. Jahrestag.
Franckes Wohnhaus und daneben der Neubau der Bundeskulturstiftung 2014
Haupthaus und rechts daneben Franckes Wohnhaus
Die innere Straße entlang der Fachwerkhäuser