So, wie in den meisten Küchen um diese Zeit, setzte sich der Fußboden aus
braungestrichenen Dielen zusammen. In regelmäßigen Abständen rutschte meine
Mutter bohnernder Weise auf den Knien herum. Anschließend wurde mit einem
schweren Bohnerbesen blank gewienert; eine Arbeit, die im Zeitalter der Flüssigwachse
und Selbstglänzer kaum noch denkbar ist. Ich liebte das „klack klack“ des Besens und
den kräftigen Geruch des Wachses.
Während meine Mutter im Hof Bettwäsche auf die Leine hängte, saß ich mit einer
Unmenge kleiner Figuren und Schiffchen in der Wanne. Auch mein Kochgeschirr von
Uropa durfte nicht fehlen. Wie lange würde es dauern, bis ich mit den Kochtöpfchen
die Wanne leergeschöpft habe? Ob das Wasser gleich in die Ritzen abläuft? Was wird
Mutti dazu sagen? Sie wird garantiert schimpfen. Sicher wird sie mich bestrafen.
Meine Mutter war eine kleine, temperamentvolle Frau. Wenn sie sich über etwas ärgerte, tat sie es lauthals kund.
Das war mir auch schon als kleines Kind nicht unbekannt. Trotzdem interessierte mich ihre Reaktion. Ich
würde das unwissende Kind spielen, das mit großen traurigen, unschuldigen Augen dem Kanonenfeuer
meiner Mutter zuhört. Vielleicht schaffe ich es ja auch, noch ein paart Tränen herauszudrücken, die die
Mutter wieder versöhnlich stimmen. Also dann: einmal das Töpfen füllen, über den Wannenrand heben
und gaaanz langsam ausgießen. Und noch einmal: Füllen, heben, gießen …. Füllen, heben, gießen …
Das Wasser breitete sich allmählich in der ganzen Küche aus und es glänzte jetzt viel besser als
Mutters Bohnerwachs. Ein interessantes Spiel! Da, plötzlich Schlüsselklappern! Mutti kommt!
Mein Herz klopfte heftig. Schnell noch ein Töpfchen
voll Wasser über Bord. Jetzt kommts!
„Du liebe Güte! Was ist denn hier passiert?“
Die Mutter holte Eimer und Wischlappen. Dann wurde
das Wasser eilig aufgewischt. Was denn, war das etwa
alles? Kein Schimpfen, kein Zetern? Nichts?! Na, dann hebt
sie es sich vielleicht für später auf.
Als die Küche halbwegs in ihren
ursprünglichen Zustand zurückversetzt
worden war, holte mich meine Mutter aus
der Wanne, trocknete mich ab, half mir
beim Anziehen und erledigte danach noch
den Rest der Aufräumarbeiten. Dabei fiel
kein einziges lautes Wort, kein Vorwurf. Ich wurde lediglich darauf aufmerksam gemacht, in
Zukunft doch ein wenig besser drauf achten zu müssen, nicht so viel Wasser zu verschütten.
Ich war enttäuscht! Ein bisschen mehr Power hatte ich tatsächlich erwartet. Immerhin war mir
voll bewusst, welchen Blödsinn ich da angestellt hatte.
Hier war ich ungefähr
1 Jahr alt und habe wirklich
noch ganz unschuldig
in die Welt geblickt.