Das Peißnitzhaus
am Tag des offenen Denkmals
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Es folgten die Begrüßungen. Und da ging uns ein Licht auf. Wir saßen zwischen Bürgermeister, Stadträten, Professoren, Doktoren…Dies war eine wichtige Kulturveranstaltung, zu der die Oberliga von Halle geladen war. Ein Fotograf ließ es in verschiedenen Ecken aufblitzen. Die Dame mit dem Turban nickte eifrig und bestätige ihre Zustimmung zum Gesagten mehrfach durch den solistischen Einsatz von Beifall. Irgendwann näherte sich den Kolonnaden auch ein einzelner Herr mit einer großen Tasche. Nichts ließ ahnen, dass sich darin ein Akkordeon befand, aber offenbar war auch er bei diesen Leuten bekannt, denn man freute sich über das Erscheinen von Juri Butt und begrüßte ihn mit einem Chor aus „Sdrastwuitje“. Das wiederum genoss unser Freund Juri, so dass er keine Veranlassung sah, seine Verspätung zu erklären. Die Herren Doktor und Professor berichteten über den Stellenwert des Pionierhauses in unserer Stadt. Aus irgendwelchen Gründen stand der Tag des offenen Denkmals in diesem Jahr unter dem Thema „Genuss“. Also bemühte man sich um diverse Herleitungen. Man war sehr freundlich und gut gelaunt. Zwischen den Reden des Professors und eines Stadtrates informierte man über eine kleine Pause nach dem Herrn Stadtrat, die Juri Butt mit seiner Akkordeonmusik füllen sollte. Während gerade ein heftiger Regenschauer herniederkam, wurde es auch allmählich kühl. Immerhin waren die Kolonnaden nach allen Seiten offen. Lediglich vor Nässe schütze der Bau. Klaus und ich flüsterten uns zu, dass wir nach der folgenden Rede gehen werden. Man wollte nicht unhöflich sein und mittendrin verschwinden. Juri Butt würde es ganz sicher verkraften, dass wir auf seine Musikeinlage verzichten. Eigentlich wollten wir doch nur das Pionierhaus sehen und pünktlich zum Mittagessen wieder zu Hause sein. Der Herr Stadtrat ahnte dies wohl und setzte seine Rede nun besonders wortreich und langsam fort. Schließlich spendeten wir nochmals reichlich Beifall und erhoben uns flugs, um möglichst unauffällig nach draußen zu eilen. Während wir also zum Pionierhaus hinüberliefen, verwöhnte Juri Butt die gehobene Gesellschaft von Halle mit Akkordeonmusik. Der Regen hatte aufgehört. Ich war ganz nervös und von Vorfreude ausgefüllt. so lange hatte ich schon gehofft, dieses Gebäude endlich von innen sehen zu dürfen. Es folgte Ernüchterung. Die Räume mit den zugemauerten Fenstern waren nur schwach beleuchtet. Von den Wänden blätterte Farbe. Viele Graffitis ver(un)zierten auch die Räume. Ein Großteil der Räume war nicht begehbar. Auf den Turm durfte ebenfalls niemand. Seit dem Neubau des Gebäudes gab es zahlreiche bauliche Veränderungen. So wurde beispielsweise eine Zwischendecke eingezogen. Ursprünglich umfasste der große Ballsaal mit der wunderschönen Kassettendecke 2 Etagen. Jetzt gibt es nur noch oben einen großen Saal mit eben dieser besonderen Decke. Je nach Bedarf wurden weitere Räume geschaffen und Wände gezogen. Der 2. Weltkrieg konnte dem Haus nichts anhaben. Die Zerstörung kam erst in Friedenszeiten und da sogar in Zeiten der deutschen Einheit. Eine traurige Entwicklung. Und doch; gibt man sich für einen Moment der Phantasie hin, werden die rauschenden Ballnächte wieder lebendig. Festlich gekleidete Menschen tanzen im Walzerschritt und der Sekt prickelt in den Gläsern. Wandert man ein Stück weiter in der Geschichte, ertönt frohes Kinderlachen und man sieht glückliche Kinder lernen und spielen. Ich weiß nicht, welcher Bestimmung man heute dieses Haus übergeben könnte. Auf jeden Fall hätte es verdient, wieder belebt zu werden. Die Bausubstanz sollte unbedingt erhalten werden. Es sollte wider Licht die Räume kommen, der Stuck restauriert werden, frische Farben an die Wände. Ich würde mir wünschen, wenn von seiner Nutzung alle Bürger der Stadt profitieren könnten. Als wir aus dem Gebäude kamen, redete man in den Kolonnaden noch immer. Doch auch so nahmen wir unser Mittagessen an diesem Tag etwas später ein. Mich ärgere es ein wenig, dass wir uns keinen Kaffee genommen hatten. Immerhin waren wir heute auch mal für eine Weile very important.