zuletzt aktualisiert 2020
Wenn wir die Kleine Steinstraße gerade hindurch laufen, stoßen wir
auf die Rathausstraße. Dort wenden wir uns nach links und sind nach
wenigen Metern am Hansering.
Poststraße, Preußenring, Adolf-Hitler-Ring und schließlich
Hansering; so nannte man die breite, lichte Straße mit ihren
zahlreichen Grünanlagen im Laufe der Jahrhunderte. Im Namen
Hansering wird Bezug genommen auf Halles Zugehörigkeit zur
Hanse zwischen 1280 und 1478. Wer ahnt, dass die Straße einst nichts
als ein Schießgraben war? Ja, es ergibt ein reizvolles Bild, sieht man links die breite Promenade mit
den alten Bäumen, den Blumenbeeten, den Bänken, die zum Rasten einladen und dahinter ein Hang,
so dass die nächsten Gebäude auf einer viel höheren Ebene erbaut sind. Einst stand hier ein protziges
Kaiser-Wilhelm-Denkmal. Später kam als „Flamme der Revolution“ das Fahnenmonument, das am
7.November 1967 anlässlich des 50. Jahrestages des Petersburger Matrosenaufstandes errichtet
wurde. Das 24 Meter hohe, feuerrote Monument bildete den Hintergrund für diverse Kundgebungen
in der DDR. Zu den alljährlichen Maidemonstrationen wurde daneben die Tribüne für die
Parteifunktionäre aufgebaut. Nach 1990 wurde das stählerne rote Arbeiterbanner bunt bemalt und
erfüllte keinerlei Funktion. Nach diversen Gnadenfristen hat man schließlich beschlossen, es stehen
zu lassen.
Kaiser-Wilhelm-Denkmal
um 1900,
Maidemonstration an etwa
gleicher Stelle 1981
Schräg gegenüber erblicken wir ein mächtiges Gebäude. Es ist das typische Bauwerk preußischer Einschüchterungsarchitektur
und 1901 bis 1905 als Gerichtsgebäude erbaut. Ein Stilmix mit Elementen der Neugotik, der Neurenaissance und des
Jugendstils machen den strengen Justizpalast recht interessant. Man sollte unbedingt auch einmal einen Blick hineinwerfen!
Das kostet nichts und mit einem reinen Gewissen ist es sogar ein Vergnügen, das prachtvolle Treppenhaus anzusehen. Die
kunstvollen, verschnörkelten Geländer, die Säulen und das Sternengewölbe nach dem Vorbild spätgotischer Hallenkirchen sind
imposant und faszinierend.
rechts nochmals das Kaiser-Wilhelm-
Denkmal, gegenüber das
Gerichtsgebäude Anfang des
20. Jahrhunderts.
Begeben wir uns nun wieder auf die andere Straßenseite. Hier führt uns eine Treppe empor zum Stadtgottesacker. Dabei handelt es
sich nicht um einen gewöhnlichen Friedhof. Das ist eine Friedhofsanlage aus der Zeit der Renaissance, wie sie einzigartig für
Mitteleuropa ist. Im Rahmen der städtebaulichen Umgestaltung ließ Kardinal Albrecht 1529 die Friedhöfe auf dem Markt
schließen und außerhalb der Stadtmauern einen neuen Gottesacker auf dem Martinsberg gestalten. Zunächst gab es nur eine
einfache Ummauerung der fränkischen Martinskapelle und einer Bestattungsfläche. Es bestanden jedoch Pläne für einen „Campo
Sante“ – einer Begräbnisanlage nach italienischem Vorbild. Erneut wurde der namhafte Baukünstler Nickel Hofmann
herangezogen, der 1557 mit dem Bau der Schwibbogengruften begann, die den Friedhof umrahmen und ihn so einzigartig
machen. So entstanden 94 Gruften in verschiedenen Größen und unterschiedlicher künstlerischer Ausstattung. Alle zusammen
bekamen ein gemeinsames Dach. Bald wurde die Stätte zu klein. Nach Norden erweiterte man die Begräbnisstätte für arme Leute
und Soldaten, nach Osten gab es später aufgrund verheerender Folgen der Cholerawelle 1832 noch eine Erweiterung. Inzwischen
ist dieser Teil zum Park umgestaltet und der Stadtgottesacker ist tatsächlich wieder nur der Bereich innerhalb der
Schwibbogenummauerung mit Torturm. Seine Besonderheit verdankt der Stadtgottesacker auch den Stadtvätern,
die nach dem Arkadenbau damit begannen, diese an vermögende Bürger zu verkaufen oder auf Erbpacht zu
vergeben. Dadurch kam es zu einer Auslese, die uns heute eine ganze Reihe berühmter, bedeutender Hallenser ihre
letzte Ruhestätte zeigt.
2004 wurde das
Gebäude saniert.