zuletzt aktualisiert 2020
Der Bahnhof und seine Umgebung sind das Aushängeschild einer Stadt. Seit der Wende spielt der hallesche Hauptbahnhof leider keine so große Rolle mehr, aber man hat sich doch sehr um seine Attraktivität bemüht. 1840 wurde die Stadt Halle eine Station der Eisenbahnstrecke Magdeburg – Leipzig. Von da an baute man das Streckennetz so weit aus, dass ein Bahnhof nötig wurde, weil Halle ein bedeutender Knotenpunkt geworden war. Es wurden 12 Bahnsteige gebaut und eine großartige Haupthalle mit einer freitragenden eisernen Kuppel. Die Inbetriebnahme des Personenbahnhofs erfolgte am 8. Oktober 1890. In eine moderne sozialistische Stadt passte so ein altmodisches Unikum jedoch nicht. Also wurde der Bau mit hellem Blech verkleidet und man beschloss: das ist schön! Schließlich besann man sich eines Besseren, riss die Blechbüchse ab und ließ den Bahnhof in neuem, altem Glanz erstrahlen.
Postkarte Bahnhof in den 50ern
Postkarte Bahnhof 1973
Bahnhof heute
Die Bahnhofsanlage ist Teil des Riebeckplatzes. Dieser (früher außerhalb der Stadtmauern) war einst Richtplatz. Hier stand der Stadtgalgen. Reisende, die in die Stadt wollten, sollten sich sofort Klarheit über die Strenge des Gesetzes verschaffen. Ein kleines Hotel bot einen wunderbaren Ausblick auf die Geräderten, denen zuvor der Kopf abgeschlagen worden war. Es muss ein wahrlich gemütliches Ambiente gewesen sein. Makaber mutete auch die Tradition der Handwerker an, die zur Reparatur des Galgens stets mit fröhlicher Musik und wehenden Fahnen zum Stadttor hinausmarschierten. Der Galgen muss etwa an der Stelle gestanden, wo bis zum 24.7.2003 die Fäuste emporragten. Sie waren Mahnmal, erinnerten mit ihren Jahreszahlen an große politische und geschichtliche Ereignisse. Sie waren Symbol für eine sozialistische Stadt. So standen sie viele Jahre vor dem Haus des Lehrers und drohten den Bewohnern der beiden benachbarten Hochhäuser: Zahlt Eure Mieten! Diese waren für DDR-Verhältnisse sehr hoch (23 Geschosse) und es galt als besonderes Privileg, dort zu wohnen. 2011 wurde das südliche Hochhaus zurückgebaut (wie es in der Fachsprache heißt) und 2012 schließlich auch das nördliche Haus. Halle verlor damit zwei markante Gebäude der typischen Silhouette. Zuvor mussten die Fäuste im Rahmen der Umgestaltung des Platzes weichen. Trotz vieler Stimmen für den Erhalt war es schließlich die Abrissbirne, die allem ein Ende setze. Ich kann mich noch dunkel an den alten Thälmannplatz (so der Name zu DDR-Zeiten) erinnern. Er war ein wichtiger städtischer Verkehrsknotenpunkt. Vom Bahnhof fuhr die Straßenbahn in die Leipziger Straße. Ein Verkehrspolizist regelte auf der Kreuzung den Verkehr. Später gab es an dieser Stelle die ersten Ampeln. Wir wohnten ganz in der Nähe, nämlich zwischen Bahnhof und diesem Thälmannplatz. Genau dort tätigten wir unsere Einkäufe, denn es gab viele Geschäfte. Ich erinnere mich noch gut an „Fisch- Nolte“, einem Fischgeschäft mit Restaurant, in dem man gut und billig speisen konnte. Da gab es nebenan Schreib- und Spielwaren (Firma Schwarz), „Foto-Krütgen“, gegenüber (Mosteck genannt) Lebensmittel, Lederwaren, Eisenwaren… Mitte der Sechziger Jahre gab Walter Ulbricht den Startschuss für einen kompletten Umbau des Platzes. Die Häuserzeilen wurden abgerissen, breite Straßen, Hochstraßen, ein großer unübersichtlicher Kreisverkehr und ein pilzförmiger Straßenbahnhaltepunkt mit Untertunnelung entstanden. Moderne sozialistische Architektur! Seinen Charme hatte der Platz verloren. Sarkastisch hieß es: Autofahrer meide Alkohol und den Thälmannplatz! Nach der Wende wurde aus dem Thälmannplatz wieder der Riebeckplatz. Er hat sich erneut komplett verändert. Der „Pilz“ steht nicht mehr und auch Tunnel gibt es nicht mehr. Die Straßenbahn hält wieder direkt vor dem Bahnhof. Insgesamt sind alle Verkehrsteilnehmer heute entspannter unterwegs. 2017 wich auch das letzte Relikt sozialistischer Baukunst, die Fußgängerbrücke im südlichen Teil. Sie war bereits zu marode, war jedoch ein wunderbarer Ausgangspunkt für Fotos über den Platz.
die Fäuste bei einer Kundgebung 1981 Mosteck in den 50ern
Der Riebeckplatz vor dem 2. Weltkrieg und in den 50ern
Marode Fußgängerbrücke
2003
2013
Riebeckplatz mit und ohne Hochhäuser
Mosteck